Live – In der Sierra Nevada de Santa Marta

Manchmal, wenn das Jahr sich dem Ende zuneigt, es draußen früh dunkel wird und das Leben sich auf 8.00 bis 17.00 Uhr reduziert, dann frage ich mich ernsthaft, ob es all dies wert ist? Warum suche ich mir nicht einen entspannten Halbtagsjob und verbringe sonst meine Tage mit Müßiggang? Fange vielleicht noch mal an zu studieren? Oder nehme mir wieder die Zeit kreativ sein zu dürfen? Viel brauche ich ja nicht! Ich habe keine Kinder für die ich Verantwortung übernehmen muss und dem Konsumterror verweigere ich mich eh immer mehr. Doch dann schwimme ich ein paar Wochen später in einem natürlichen Bassin unter einem Wasserfall in einem Regenwald, bunte Schmetterlinge umflattern mich, weit und breit ist niemand zu sehen und da weiß ich wieder, warum ich jeden Tag aufstehe, zur Arbeit gehe und funktioniere und ich versöhne mich ein wenig mit meinem Büroleben!

Wir sind mittlerweile in Sierra Nevada de Santa Marta angekommen. Wir sind nicht am Strand von Santa Marta hängengeblieben, sondern vom Flughafen direkt weiter zum Reserva Biologica de Coaba. In der Buchungsbestätigung hieß es, wir sollten beim Polizeirevier von Bonda Mototaxis nehmen, die Jungs wissen wie mit schweren Gepäck umzugehen sei. Ich fand das etwas merkwürdig in der Formulierung, gedacht habe ich mir dabei aber nichts. Während der Bus mit Unterhaltungsprogramm an der Küste entlang, durch Santa Marta hindurch raste, Menschen ein- und wieder ausstiegen, kam so ein leiser Verdacht, aber sicher waren wir uns nicht.

An der Polizeistation riefen wir schnell nach dem Halt und sprangen raus und winkten gleich dem ersten Taxi, dass um die Ecke bog. Der Fahrer konnte so gar nichts mit unseren Angaben anfangen, doch plötzlich standen da zwei Jungs mit Motorrad, die ohne groß zu fragen wussten, wo wir hin wollten, unsere schweren Rucksäcke auf den Tank warfen, uns aufsitzen ließen und bevor wir wussten wie uns geschah in eine Piste abbogen, die ihresgleichen sucht! Ob ich Zweifel an den beiden Jungs hatte? Nö eher nicht! Da muss man schon ziemlich dreist sein, wenn man jemanden direkt vor einer Polizeistation abzieht und außerdem erklärte die gesamte Situation, die komische Formulierung.

Und so ging die wilde Fahrt immer weiter hinauf bis zum Reserva, und Juan, mein Fahrer, hatte einiges zu Lachen wegen meinem Gequiekte da hinten drauf. Angekommen wurde uns unsere wunderbare Hütte gezeigt, für die man noch ein kleines Stück mit dem Rucksack auf dem Rücken den Hügel hinauf muss. Kein Internet, kein Empfang, nur die unglaubliche Tier- und Pflanzenwelt, weit weg von allem. Kein Verkehrslärm, nur das Zirpen der Insekten. Keine Hektik, nur die Ruhe der Natur!

Das Reserva befindet sich auf dem Gebiet der Kogui Indianer, die so freundlich sind, dem Betreiber zu erlauben, hier zu sein. In allen Reiseführen ist die Formulierung beim Betreten des Nationalparks genau diese! Uns ist es erlaubt! Und nicht wie trauriger Weise an anderen Orten der Welt, wo den indigenen Völkern Land als „Reservat“ zugewiesen wurde und es ihnen umgehend wieder weggenommen wird, sobald sich dort irgendwelche Ressourcen finden. Die Kokui wurden niemals von den Spanien besiegt und auch die Drogenkriege und Paramilitärs konnten sie bisher nicht vertreiben. Vermutlich werde ich nicht das Glück haben Koguis zu treffen, aber es ist schön zu wissen, dass sie mich hier sein lassen. Dafür bin ich sehr dankbar, denn es ist ein wunderschönes Fleckchen Erde!

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Nachtrag: Den Artikel habe ich schon geschrieben, als wir noch vor Ort waren. Das war ziemlich am Anfang unserer Reise. Ich habe dann doch noch Kogis gesehen, als wir uns ein paar Tage später Richtung Westen aufmachten, um die Wayu Tour zu machen.

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