Ein perfekter Tag unterwegs

Mexico City gilt gemeinhin als eine der gefährlichsten Städte der Welt. Sicher nicht zu Unrecht, doch meine Erfahrung ist eine ganz andere und davon möchte ich Euch heute erzählen.

Eigentlich wollte ich etwas länger in Mexico City bleiben, doch war ich auf meiner Reise dorthin hängen geblieben und so blieb mir nicht viel Zeit während meines Besuches dort. Leider hatte ich mir auf der Busfahrt bereits Montezumas Rache eingefangen und es ging mir bei meiner Ankunft so gar nicht gut. Unbedingt anschauen wollte ich mir Teotihuacán, das kann man als Tagestripp buchen und schon auf diesem Ausflug musste ich mich mehrfach in irgendwelchen Mülleimern übergeben. Egal! Es gab einen bestimmten Grund warum ich unbedingt über Mexico City zurück fliegen wollte. Ich wollte das Wohnhaus des mexikanischen Architekten Barragan besichtigen! Dies ist ein Weltkulturerbe und ich hatte es in Deutschland in einem Bericht gesehen und wusste, hier möchte ich einziehen!

Es ging mir bereits ziemlich bescheiden, als ich mich vormittags auf den Weg machte, doch hatte ich einen Besichtigungstermin gebucht und alles an mir wollte dorthin. Von außen recht unscheinbar kann man nichts von seiner wunderbaren Architektur im Inneren erahnen. Man war etwas erstaunt, dass ich die Führung gebucht hatte, denn im Allgemeinen besuchen nur interessierte Architekten das Wohnhaus. Otto-Normal-Besucher hätten sie eigentlich nie und das jemand kommt, nur weil er einen Bericht gesehen hatte, dass fanden sie auch ganz wunderbar.

Natürlich durfte man bei der Führung keine Bilder machen, und tatsächlich ist das auch etwas schwierig, denn Baragan arbeitet viel mit Licht und Lichtverhältnissen, damit ihr Euch aber eine Vorstellung machen könnt, kommt hier ein Link zu dem Bericht, den ich damals gesehen habe:
Casa Barragan bei Schätze der Welt

Als ich das Haus dann verließ ging es mir natürlich noch viel bescheidener, doch wenn man schon in Mexico City ist, dann schaut man natürlich auch beim Wohnhaus von Trotzki vorbei.

Leo Trotzki war ein kommunistischer Politiker, russischer Revolutionär und marxistischer Theoretiker und nachdem er es sich mit Stalin verscherzt hatte immer auf der Flucht vor dessen Rache. Diego Rivera machte sich beim mexikanischen Präsidenten dafür stark Trotzki in Mexico Exil zu gewären und nachdem er eine Weile bei Frieda Karlo und Diedo Rivera gewohnt hatte, bezog er das Haus in der „Avenida Río Churubusco 410“.

Bereits am 24. Mai 1940 überlebte Trotzki einen Angriff auf sein Haus. Die Attacke wurde von mehreren, von Stalin gesandten und als mexikanische Polizisten getarnten Agenten durchgeführt, allerdings so dilettantisch, dass man vielfach an eine Inszenierung glaubte. Aus Angst vor weiteren Anschlägen ließ er danach das Haus ausbauen und bewachen. Wachleute schützten freiwillig und unbezahlt das kleine Anwesen in der verkehrsreichen inneren Ringstraße im Süden von Mexiko-Stadt rund um die Uhr.


Hier kann man noch die Einschlusslöcher von dem ersten Mordanschlag sehen


Von aussen komplett zugemauert. Dies ist das Fenster zum Wohnbereich

Drei Monate später hatte ein von Stalin beauftragter Mordanschlag Erfolg. Der Sowjetagent Ramón Mercader hatte sich als Frank Jacson mit einer Sekretärin Trotzkis verlobt und so Zugang zu dessen Anwesen gefunden. Am 20. August besuchte er Trotzki und bat um Durchsicht eines von ihm verfassten politischen Artikels. Kurz nach 17 Uhr griff Mercader Trotzki in dessen Arbeitszimmer mit einem Eispickel an, wobei der Attentäter sein Opfer schwer am Kopf verletzte. Trotzkis Leibwächter fanden ihn blutüberströmt, aber noch bei Bewusstsein. Einen Tag später starb Leo Trotzki an den Folgen dieses Anschlags.

OK, ich hatte schon Schweißausbrüche und war kurz vorm Explodieren, aber wenn man schon mal in der Gegend ist, dann schaut man natürlich auch noch beim Wohnhaus von Frieda Karlo und Diego Rivera vorbei!

Mittlerweile ein Museum, dass Wohnhaus von Frieda Karlo und Diego Rivera












Die Kunst Frieda Karlos ist überaus populär in Deutschland, doch mir persönlich ist ihre Malerei zu wehleidig und anklagend. Mir kommt da die moderne, meist soziale Themen ansprechende Kunst Diego Rivera näher. In einigen öffentlichen Gebäuden Mexico-Stadt kann man gigantische Wandgemälde von ihm besichtigen. Leider fehlte mir dazu die Zeit.

Diego Rivera

Das Wohnhaus Friedas und Diego liegt nur ein paar Blocks vom Wohnhaus Trotzkis in einer überaus wohlhabenden Gegend Mexico-Citys. Nach außen verschlossen, erschließt sich im Inneren eine bunte, freie Wohnwelt… herrlich.

So und dann war endgültig Schluss! Mir ging es mittlerweile so bescheiden, dass ich nur noch ins Hotel wollte. In meinem Reiseführer wurde dringend abgeraten sich ein Taxi vom Straßenrand aus herbeizuwinken, doch die U-Bahn in Mexico City ist zuverlässig, sicher und schnell. Also torkelte ich zurück in die U-Bahn und als ich merkte, dass ich bald umkippen würde, bat ich einen älteren Herrn mich an meiner Umsteigestation zu erinnern auszusteigen. Gesagt getan, als wir an der Station ankamen, nahm er mich bei der Hand und brachte mich bis zu den Rolltreppen die zu meinem nächsten Zug führten und gab mir einen sanften Schups in die richtige Richtung. Hier angekommen bat ich den nächsten Herren, mir Bescheid zu geben, wenn ich an meiner Station angekommen sei. Doch leider war es diesmal etwas arg voll, ich zu langsam und so schlossen sich die Türen bevor ich wieder aussteigen konnte. Dies bekam eine Frau mit, die mich an der nächsten Station sanft aus der Bahn schupste, mich bei der Hand nahm, mich in den entgegengesetzten Zug sanft rein schupste nicht ohne einer Mitreisenden zu erklären, dass ich an der nächsten Station wieder raus müsse… Und so gelang ich mit der Hilfe ganz vieler freundlicher Mexikaner zurück in mein Hotel! Wo ich dann erst mal explodierte! Und eins kann ich Euch sagen mit Montezumas Rache 10 Stunden nach Europa zurückzufliegen… mhm… nicht lustig!

Aber was haben wir gelernt! Städte und ihre Bewohner sind meist besser als ihr Ruf!

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